Pressebericht

Männerkosmetik

Barber- & Schönheitssalons für Männer im Trend

Barber- und Kosmetikstudios nur für Männer werden zu elitären Treffpunkten für den gepflegten Gentleman

Es ist ein ziemlich scharfes Messer, das Jaqueline Pieck da in ihren Händen hält. Angst haben müsse man aber nicht, wie sie versichert. „Ich habe noch nie jemanden unabsichtlich geschnitten.“ Bevor die Frau mit Hipster Frisur, enger Jogginghose und Sneakers aber zu Messer und Schere greift, kommt der angenehme Teil – die Vorbereitung auf eine akkurate Bartrasur. „Lehnen Sie sich zurück, und machen Sie es sich bequem“, sagt sie und klappt sogleich den Sessel im Retrolook mit einem gekonnten Handgriff nach hinten. Die Liegeposition erinnert ein bisschen an den Besuch beim Zahnarzt – nur ohne Schmerzen und Bohrgeräusche.

Pieck ist professionelle Barbierin und beherrscht neben dem klassischen Männerhaarschnitt vor allem das Handwerk des Rasierens. Gelernt hat sie das in Düren in verschiedenen Salons, wo sie jedes Mal abgeworben worden ist. Die Anzahl an derlei Männerpflegesalons nimmt rasant zu, Barber-Shops schießen in größeren Städten nach wie vor wie Schwammerln aus dem Boden. Der gepflegte Mann von heute lässt sich aber nicht nur den Bart stutzen und die Haare schneiden, sondern auch bei Hand- und Fußpflege und Kosmetik begibt man sich gern in professionelle Hände.

Weil das Gros der Kosmetikstudios vor allem auf weibliche Kundschaft abzielt, hat Jaqueline Pieck ein Barber- und Kosmetikstudio nur für Männer in Nettetal-Kaldenkirchen eröffnet. Eine dunkle Steinwand, Holzpanelen an der Wand, ein klobiger Chesterfield-Ledersessel und die Möglichkeit hier Whisky, Rum und Gin zu trinken, sollen dem Mann hier offenbar die Scheu vor dem noch unbekannten Terrain nehmen. Die Übung scheint gelungen, der Laden der jungen selbstständigen Frau, die gelernte Stylistin ist, läuft gut an. „Ich hatte keine Ahnung von Kosmetik. Aber als ich gemerkt habe, dass immer mehr Männer auf ihre Pflege achten, wusste ich, das brauchen wir in Nettetal auch. Natürlich könnte ich auch einen Service für Damen anbieten, dann wäre ich aber wieder einer von Hunderten Studios in Nettetal und Umgebung. Ich habe mich bewusst dafür entschieden, dieses Alleinstellungsmerkmal zu behalten“, sagt Pieck.

Das männliche Klientel scheint jenen Ort zu schätzen, an dem Frauen ausdrücklich unerwünscht sind. „Viele Männer arbeiten in Berufen, in denen sie gepflegte Haut und Hände haben müssen. Am Anfang sind manche Herren noch etwas zurückhaltend. Die meisten kommen aber wieder und kaufen sogar Pflegeprodukte für zu Hause“, sagt die Kosmetikerin Jaqueline Pieck.

Großer Markt

Das der Markt an Männerpflegeprodukten vor allem für Kosmetikhersteller interessant ist, zeigen die Verkaufszahlen. 2016 haben Deutschlands Männer rund 866 Millionen Euro für Pflegeprodukte ausgegeben (Quelle Statista) – Tendenz steigend. Während Produkte für Frauen oft mit floralen Düften und verspielten Verpackungsdesigns locken, darf es für den Mann gern minimalistisch in der Anmutung und herb im Aroma sein. „Ein gepflegter Mann sieht gesund aus. Schöne Haut und ordentlich frisiertes Haar machen nicht nur etwas her, sondern heben auch die Stimmung und das Selbstbewusstsein“, schreibt Captain Peabody Fawcett im Buch „Ein Mann – ein Bart“.

Darin geht es neben der Kulturgeschichte des bärtigen Mannes auch um traditionelle Barber-Shops, an deren Türen sich nahezu ausnahmslos die berühmten rot-blau-weiß gestreiften Barber-Poles drehen. Diese wurden 1540 von Heinrich VIII. in Großbritannien angeordnet. Bis heute gelten sie als Symbol der Barber-Shops.

Verwöhnt werden

Eine Barber-Pole hängt auch vor dem Haus des noch jungen Barber- & Kosmetikstudios, in dem Jaqui Pieck beherzt zur Tat schreitet. Während aus den Boxen passende Musik läuft, greift die Barbierin zu einem Tiegel Preshave-Lotion, verteilt etwas von der Creme in ihren Händen und massiert diese sanft in den Bart ein. „Ist das so in Ordnung für dich?“, fragt sie. „Ja, bitte höre nie wieder damit auf“, ist man geneigt zu sagen. Auch die heiße Gesichtskompresse, die dazu dient, die Poren zu öffnen, ist angenehm und wohlriechend. Erst nach dieser wichtigen wie entspannenden Prozedur wird mit einem dicken Pinsel der Rasierschaum auf die rauen Barstoppeln aufgetragen.

Was jetzt folgt, ist die Kür. Geschmeidig lässt die Barbierin das Rasiermesser über die Borsten gleiten, die nur darauf zu warten scheinen, mit einem präzisen Schnitt abgesäbelt zu werden. Ruckartige Bewegungen sollte man tunlichst vermeiden. Die Empfehlung der Barbierin: Entspannen und Genießen. „Der Besuch bei mir soll kein lästiger Termin sein, man soll sich darauf freuen, verwöhnt zu werden“, sagt die junge Geschäftsführerin. Sie möchte nicht nur perfekt Bärte rasieren, sie möchte sich vor allem Zeit für den Kunden nehmen.

Gerade zeigt ein junger Mann Jaqui ein Foto am Handy. So stelle er sich seinen Bartschnitt also vor. Die Barbierin sieht sich das Foto an und weiß genau, was sie zu tun hat. „Man muss bei sehr intensiv auf den Kunden eingehen. Das geht nicht im Schnellverfahren. Ein Manager einer großen Firma braucht einen anderen Bartschnitt als ein junger Student. Das muss vorher ausführlich besprochen werden, damit es zu keinen bösen Überraschungen kommt. Wahrscheinlich unterscheidet uns das von anderen Barbieren, die manchmal aussehen wie Barber-Shops“, sagt Pieck.

Für Jaqueline Pieck stellt diese Art der Kundenbetreuung keine große Herausforderung dar. Im Gegenteil: Der Profi genießt den lockeren Umgang mit den Herren. „Männer sind unkompliziert im Umgang. Sie wissen, was geht und was nicht. Wer keinen Bartwuchs hat, dem kann ich keinen Vollbart schneiden.“ Mit Aussagen wie diesen sammelt man wahrscheinlich keine Sympathiepunkte bei Frauen, das ist aber auch nicht die Aufgabe der Barbierin. Sie tut, was sie am besten kann – Männern für einen kurzen Moment das Gefühl zu geben, besonders zu sein.